Wie die Corona-Krise das Risikomanagement der Unternehmen verändert

Risikomanagment-Studie 2020 der Commerzbank in Zusammenarbeit mit forsa

Die Corona-Krise hat die Wirtschaft weltweit verändert. Ging es für Unternehmen während der Pandemie zunächst darum, Liquidität und Finanzierungen sicherzustellen, rückt mittlerweile das Risikomanagement in den Fokus. Im deutschen Mittelstand ist grundsätzlich ein Bewusstsein dafür vorhanden, dass beispielsweise schwankende Wechselkurse und Rohstoffpreise für Unternehmen Risiken bergen können: Für drei Viertel der Unternehmen ist das Management von Risiken sogar Chefsache – wenn es denn ein Risikomanagement gibt. Das ergab die Studie der Commerzbank in Zusammenarbeit mit forsa zu diesem Thema.

Beim Blick auf die Details der Untersuchung wird gleichzeitig deutlich: Viele Unternehmen haben Nachholbedarf, was sich vor allem durch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Krise wie Auftragsstornierungen, veränderte Lieferketten und volatilere Märkte gezeigt hat. Folglich reduzieren Unternehmen aktiv ihre Übersicherungsquoten, knapp 80 % passen weiterhin ihre Absicherungspolitik an die veränderten Rahmenbedingungen an. Und knapp ein Drittel will erstmals überhaupt eine Risikostrategie für die eigene Firma erarbeiten. Dabei können Banken mit entsprechenden Produkten und Dienstleistungen unterstützen.

„Mittelstand kann mit der Krise umgehen“

Deutschlands Wirtschaft ist aufgrund der Corona-Pandemie auf Achterbahnfahrt: Erst der Absturz im Frühjahr, dann die Erholung im Sommer und zum Ende des Jahres der wohl erneute Einbruch. Dr. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, erwartet wegen der zweiten Corona-Welle für das Schlussquartal beim Wachstum hierzulande nur noch eine schwarze Null. „Wird der Lockdown aber über November hinaus bis Ende Dezember verlängert, haben wir eine zweite Rezession“, prognostiziert der Volkswirt Dennoch: Nach der weltweiten Finanzkrise 2008/09 hat sich der deutsche Mittelstand krisenfester aufgestellt und beispielsweise die Eigenkapitalquote deutlich erhöht. Krämer: „Die meisten Mittelständler können mit der Krise umgehen.“ Dennoch bleibe die Corona-Pandemie ein nicht zu unterschätzendes Problem für Unternehmen. Das sei auch durch die plötzliche Verletzlichkeit der Wertschöpfungsketten deutlich geworden. „Das muss nicht bedeuten, alles wieder ins Inland zu verlagern. Unternehmen sollten aber ihre Risiken nicht nur bei diesem Thema breiter streuen“, betont der Ökonom.

Corona-Krise hat Risikobewusstsein geschärft

Das Risikobewusstsein tritt zurzeit vor allem bei absicherbaren Herausforderungen wie Rohstoffpreisänderungsrisiken, Bonitäts- und Liquiditätsrisiken zutage. Das ist ein weiteres Ergebnis der Umfrage der Commerzbank zum Risikomanagement im deutschen Mittelstand. Dafür wurden zwischen Juli und September 2020 rund 300 Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 15 Millionen Euro befragt. „Grundsätzlich hat sich gezeigt: Die Corona-Krise hat das Risikobewusstsein in Unternehmen deutlich fokussiert“, sagt Simone Mrasek, Divisional Head of Corporate Sales Asset & Risk Management (siehe auch Interview). Knapp die Hälfte aller Befragten (47%) gab sogar an, dass die finanziellen Risiken ihrer Unternehmen gestiegen sind. Betriebe mit einem Jahresumsatz von mehr als 250 Millionen Euro waren mit 54% noch deutlich stärker betroffen. Sechs von zehn Befragten verwiesen darauf, Aufträge während der Krise verloren zu haben; jeder zweite Betrieb musste auf veränderte Lieferketten reagieren. Wie ernst der Mittelstand das Risikomanagement nimmt, zeigt eine Zahl besonders deutlich: In fast drei Viertel der Unternehmen ist das Thema Chefsache.

Nur jeder zweite Mittelständler hat eine Hedge Policy

Bei der Umfrage überrascht auf den ersten Blick ein Ergebnis: Nur 50% der Befragten verfügten über eine eigene Hedge Policy oder ein Handbuch für den Umgang mit Risiken. Allerdings waren es bei großen Firmen (Umsatz höher als 250 Millionen Euro) bereits 70%. Zudem hat die Pandemie ein Umdenken in Gang gesetzt. Knapp ein Drittel der Unternehmen will erstmals eine Risikostrategie entwickeln. Acht von zehn Firmen wollen ihre Absicherungspolitik aufgrund der gestiegenen finanziellen Risiken durch die Folgen der Corona-Krise entsprechend anpassen.

Rohstoff-, Zins- und Währungsrisiken im Fokus

Zu den unwägbarsten Risiken für Unternehmen zählen die Entwicklungen bei Rohstoffpreisen. Das sagten knapp 60% der Befragten. Allerdings gehören Rohstoffrisiken zu den Gefahren, die gut über entsprechende Produkte abgesichert werden können. „Grundsätzlich gibt es bei Rohstoffen ein zusätzliches Währungsrisiko, da zahlreiche Rohstoffe in US-Dollar gehandelt werden“, sagt Michael Alt, Leiter des Commodities Advisory & Distribution Teams. „Commerzbank-Kunden haben die Möglichkeit, ihre Absicherungsgeschäfte mit uns direkt in Euro abzuschließen. Alternativ kann das Währungsrisiko separat abgesichert werden.“

Bei Zinsrisiken ist vor allem der Planungshorizont wichtig. Bei längeren Zeiträumen zwischen zwei und fünf Jahren oder darüber hinaus wurde ein Zinsmanagement von fast der Hälfte der Befragten als wichtig oder sehr wichtig eingestuft.

Gegen Währungsrisiken schützen sich rund 30% Was vielleicht wenig erscheint, relativiert sich angesichts der großen Bedeutung des Euroraums für die Geschäftsbeziehungen des deutschen Mittelstands. Jedoch hat die Corona-Krise Bewegung auch in diesen Markt gebracht. „Die Pandemie hat ähnlich wie damals in der Finanzmarktkrise zu einem Hochschnellen der FX-Volatilitäten geführt“, sagt Ulrich Leuchtmann, Leiter Devisenanalyse der Commerzbank. Diese Wechselkursschwankungen (FX – Foreign Exchange) dürften aber bei wieder ruhigerer Konjunkturentwicklung in den kommenden Jahren zurückgehen.

Die Digitalisierung erreicht das Risikomanagement

Ein wichtiger Partner des Mittelstands bei der Digitalisierung des Risikomanagements können die Banken sein. Und die Unternehmen hatten klare Vorstellungen davon, was sie hierbei von den Geldhäusern erwarten. Für 94% war schnelle Erreichbarkeit wichtig; persönliche Beratung und Transparenz der Angebote nannten mehr als acht von zehn Befragten. Zwar tätigen Unternehmen Sicherungsgeschäfte, trotz digitaler Kanäle, weiterhin auch per Telefon (74% oder persönlich (69%). Insgesamt nutzte aber bereits ein Viertel des Mittelstands Single- oder Multi-Dealer-Plattformen, bei den großen Unternehmen war es bereits knapp ein Drittel. Zudem zeigte sich der Einfluss der Digitalisierung bei der Geschäftsbestätigung auf elektronischem Weg (88% und der zunehmenden Frequenz beim Handel auf Plattformen (50%).

Frau Mrasek, wie beurteilen Sie das Risikomanagement des deutschen Mittelstands?

Grundsätzlich sind die Firmen sehr gut aufgestellt. Die Unternehmen kennen Ihre direkten Risiken, die sich aus dem Geschäftsmodell ergeben – indirekte Risiken werden durch den intensiven Dialog mit unseren Risikospezialisten identifiziert. Im Zuge der Krise hat sich das Risikoprofil für viele Unternehmen aufgrund der geänderten wirtschaftlichen Lage zum Teil deutlich verändert. Darauf mussten die Unternehmen zügig und aktiv reagieren, bestehende Sicherungen anpassen und mit Marktentwicklungen neu umgehen. Die Krise hat kurzfristige Aktivität erfordert, dennoch waren die Unternehmen besonnen und haben den Blick auf die mittel- bis langfristige Entwicklung nicht aus den Augen verloren.

Unternehmen mit Im-und Exportgeschäft sorgten sich teilweise um Bonitätsrisiken der Partner - auch das haben Studie und Praxis gezeigt. Währungsrisiken wurden genauso professionell gehandhabt wie vor der Krise. Hier besteht ein sehr großer Erfahrungsschatz im deutschen Mittelstand.

Wo besteht Nachholbedarf?

Die Sicherung von Zins- und Währungsrisiken ist bei vielen Unternehmen fest verankert. Stärker in den Fokus gerückt sind Rohstoffpreisrisiken, um die sich bisher vor allem die Unternehmen gekümmert haben, deren Kerngeschäft direkt im Rohstoffbereich angesiedelt ist. Zuletzt sehen wir bei immer mehr Unternehmen, deren Geschäftsergebnis sekundär von Rohstoffpreisrisiken beeinflusst wird, eine erhöhte Nachfrage nach aktivem Rohstoffpreismanagement.Risiken werden teilweise mit Lieferanten oder Abnehmern gesichert. Die Commerzbank bietet hier hervorragende Alternativen, die die Unternehmen flexibel und unabhängig machen.

Weiterhin sehe ich Entwicklungspotenzial bei der Digitalisierung. Zwar wickeln unsere Kunden fast zwei Drittel ihrer Devisengeschäfte inzwischen onlineab. Das digitale Geschäftsvolumen wird jedoch teilweise von Kunden bestimmt, die ein hohes Handelsaufkommen aufweisen. Auch Kunden mit geringerem Geschäftsvolumen erkennen zunehmend die Vorteile eines Online-Handelssystems, das 24/7 erreichbar ist. Die Kombination aus digitalem Geschäftsabschluss und persönlichem Dialog mit einem Risikomanagementspezialisten wird sich aus meiner Sicht intensivieren.

Warum haben nur relativ wenige Unternehmen eine Hedge Policy ?

Bei kleineren Unternehmen wird es eine Frage der Verhältnismäßigkeit sein. Wer im Jahr bei einem Umsatz von 50 Millionen Euro Absicherungsgeschäfte für 1 Million US-Dollar benötigt, muss dafür nicht zwangsläufig eine Hedge Policy definieren. Das bedeutet aber nicht, dass es bisher kein professionelles Risikomanagement gab. Je größer das Unternehmen wird, umso wichtiger ist es, einen Rahmen für den Umgang mit Finanzrisiken zu definieren.

Grundsätzlich ist der Aufbau einer entsprechenden Struktur für das Risikomanagement in Unternehmen jedoch empfehlenswert je größer das Unternehmen ist und je differenzierter die Aufgabenteilung im Unternehmen ist. Die Hedge Policy sollte einen Rahmen abstecken, in dem man sich in normalen Zeiten bewegen kann. Sie sollte aber für den Krisenfall auch Raum für ein schnelles Agieren geben.

Hat die Corona-Krise das Risikobewusstsein der Unternehmen geschärft?

Absolut. Das zeigt auch unsere Umfrage. Nicht nur die Hedge Policy, sondern auch das gesamtheitliche Risikomanagement rückt immer mehr in den Fokus. Aktives, flexibles Handling war gefragt. Anpassungen von Sicherungsgeschäften waren trotz vorheriger Planung notwendig. Unternehmen haben die Intensität ihres Risikomanagements der Situation angepasst.

Was können Banken tun, um das Risikomanagement in Unternehmen zu stärken?

Die erste Aufgabe sollte sein, Risiken im Unternehmen zu identifizieren, sie transparent zu machen und in den Firmen dafür ein Bewusstsein zu schaffen. Banken können bei der Analyse unterstützen, das Spektrum der Lösungsmöglichkeiten aufzeigen und gemeinsam mit dem Unternehmen die Lösung identifizieren, die dem Ziel des Unternehmens entspricht. Und da ist die Commerzbank mit ihrer fachlichen Expertise sehr gut aufgestellt. Wir wollen unsere Firmenkunden insgesamt langfristig begleiten. Das gilt natürlich auch im Risikomanagement.

Wie wird die Digitalisierung das Risikomanagement mittel- und langfristig verändern?

Ich bin überzeugt davon, dass eine hochqualifizierte Beratung auf der einen Seite und die digitale Geschäftsabwicklung auf der anderen Seite die Zukunft ist. Sowohl Kunden als auch Banken digitalisieren sich immer weiter. Künftige Handelsgeschäfte werden daher zunehmend über Plattformen abgewickelt. Auch die benötigten Bestätigungen werden digital abgewickelt. Mit Commerzbank Live-Confirm bietet die Commerzbank hierfür bereits ein entsprechendes Tool.

Dennoch wird die hochspezialisierte Beratung im Mittelstand weiterhin gefragt sein. Das heißt nicht, dass alle Gespräche und Beratungen vor Ort stattfinden müssen. Die Corona-Krise hat den Trend zu digitalen Gesprächsformaten, wie z. B. Videokonferenzen, sehr stark befördert. Der Dialog zwischen Kunden und dem Bankspezialisten wird dadurch noch schneller und flexibler, was für die Mehrheit der Unternehmen von entscheidendem Vorteil ist.

Produktvielfalt für das Risikomanagement

Kunden der Commerzbank sind schon seit Langem überzeugte User des Realtime-Devisenhandels. Das entsprechende Tool FX Live Trader hat jetzt eine mobile Ergänzung bekommen: Der FX Live Trader Web kann auf allen gängigen Endgeräten, wie Desktop-Rechner, Laptop oder Tablet genutzt werden. Ihn gibt es auch in einer englischen Version.

Hier im Firmenkundenportal finden Sie unsere Services und Produkte für das Managen weiterer Risiken.